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Smartphone & Co: Anwender werden immer jünger – das sind die Gründe

Klicken, Spielen, Quizzen – für eine repräsentative forsa-Umfrage im Auftrag der BKK Mobil Oil wurden über 1000 Eltern zum Medienkonsum ihres Nachwuchses befragt. Das Ergebnis: Etwa jedes dritte 3- bis 8-jährige Kind nutzt fast täglich mobile Endgeräte. Entwicklungspsychologe Prof. Dr. Herbert Scheithauer kennt die Hintergründe.

Während die Eltern im Restaurant genüsslich essen, fangen der sechsjährige Sohn und die jüngere Schwester zu quengeln an. Einige Tischnachbarn schauen bereits genervt. Wenige Minuten später spielen die zwei Kinder beseelt mit Papas Smartphone, während dieser seinen Teller leert. Keine Frage: Digitale Endgeräte beeinflussen das Familienleben und sind selbst in den Händen von Kita- und Vorschulkindern keine Ausnahme mehr. Dies belegt auch eine aktuelle forsa-Umfrage im Auftrag der BKK Mobil Oil zum Medienkonsum von Kindern in Deutschland. Eine wichtige Erkenntnis daraus: Selbst wenn das Fernsehen bei den ganz Kleinen nach wie vor das Medium Nummer eins ist, nutzen bereits etwa 35 Prozent der 3- bis 8-Jährigen (fast) täglich ein mobiles Endgerät. Etwa 12 Prozent beschäftigen sich sogar mehrmals am Tag mit dem Smartphone oder Tablet und immerhin jedes vierte Kind lässt öfter in der Woche seine Finger über ein digitales Display fliegen. Bei den ganz Kleinen sind laut der forsa-Umfrage PC und Notebook noch deutlich weniger angesagt und werden nur von 18 Prozent einmal pro Woche oder häufiger genutzt.

„Alles muss perfekt sein und darauf ausgerichtet, das Kind in seiner Bildung oder Kreativität voranzubringen – dies kann die Kinder und die Eltern überfordern“

Die forsa-Befragung zeigt deutlich, welchen Herausforderungen sich Eltern heute stellen müssen. So gehören viele noch einer Generation an, deren Kindheit nahezu ohne Computer, Handy und Internet verlief. Im Gegensatz dazu werden Kinder heute in eine weitgehend digitalisierte Welt geboren. Während die neuen virtuellen Möglichkeiten in vielen Kindertagesstätten und Grundschulen nach wie vor eher sparsam zum Einsatz kommen, sieht es laut der forsa-Umfrage im Familienalltag mittlerweile anders aus. Bei Kindern, die Smartphone und Tablet mindestens einmal pro Woche nutzen, steht das Spielen (69 %) an erster Stelle und bei jedem dritten Kind (36%) kommen die Geräte aus Langeweile zum Einsatz. 26 Prozent überbrücken damit Bus-, Bahn- und Autofahrten und jedes vierte Kind beschäftigt sich damit eigentlich nur, wenn die Eltern keine Zeit haben. Die Folgen dieser neuen Entwicklung: Mehr als die Hälfte der Eltern von Kindern, die mobile Endgeräte nutzen, hat ein schlechtes Gewissen, wenn ihr Kind ein Smartphone oder Tablet benutzt. „Viele Eltern haben vielleicht zu hoch gesteckte Erwartungen, wenn es um die Freizeitgestaltung ihrer Kinder geht: Alles muss perfekt sein und darauf ausgerichtet, das Kind in seiner Bildung oder Kreativität voranzubringen – dies kann die Kinder und die Eltern überfordern“, vermutet Professor Dr. Herbert Scheithauer, Experte für Entwicklungspsychologie und Klinische Psychologie an der Freien Universität Berlin. Und auch die forsa-Umfrage zeigt: 48 Prozent der Eltern, deren Kinder Smartphone, Tablet, Fernseher und Co. nutzen, begründen das schlechte Gewissen damit, dass der Medienkonsum ihr Kind bei anderen Aktivitäten einschränke. 41 Prozent stellen außerdem fest, dass der Bewegungsdrang beeinträchtigt wird und die Lust auf freies Spielen sinkt. 37 Prozent der Befragten sind sogar der Meinung, dass ihr Nachwuchs durch die Beschäftigung mit digitalen Geräten nervöser und reizbarer werde.

Smartes Spielzeug und virtuelle Informationsquelle

Professor Dr. Scheithauer beschäftigt sich mit dem Trend zu immer jüngeren Usern. Sein Rat an alle Erziehungsberechtigten: „Statt einfach zu konsumieren, müssen Smartphone, Tablet, PC oder Notebook sinnvoll eingesetzt werden. Zum Beispiel für kreative Spiele oder Rätsel. Noch besser ist es, wenn Eltern die digitalen Medien zusammen mit den Kindern nutzen und so die Familie gemeinsam Spaß daran hat.“ Apropos Spiele. Sie stehen zwar auf der Hitliste der kleinen User ganz oben, aber die Kinder fordern die digitalen Geräte der Eltern – spätestens seit dem Shutdown zur Eindämmung der Corona-Pandemie – auch als Kommunikationsmittel für die Bearbeitung von Schulaufgaben oder als Informationsquelle ein.

Prof. Dr. Scheithauer: „Die forsa-Umfrage zeigt, dass viele Eltern bereits sensibilisiert sind, denn immerhin 98 Prozent der Befragten achten beim Medienkonsum von Kindern darauf, dass Inhalte, z.B. von Apps, kindgerecht aufbereitet sind. 86 Prozent der Befragten geben an, bevorzugt Formate zu wählen, die einen pädagogischen Wert haben und rund 59 Prozent orientieren sich an Elternratgebern und Empfehlungen zur Altersbeschränkung.“ Das Stichwort lautet Medienkompetenz. Denn wenn sich Erzieher, Lehrer und auch Eltern mit den vielen Möglichkeiten der virtuellen Welt beschäftigen, kann sie gewisse Fähigkeiten durchaus fördern. So nennen viele Eltern auf die Fragen zu den Auswirkungen des Medienkonsums in der forsa-Umfrage mehrheitlich die Erweiterung des Sprachschatzes (58 Prozent), gefolgt von der Kreativität (43 Prozent) und der Feinmotorik in Fingern und Händen (24 Prozent). Dennoch rät Prof. Dr. Scheithauer dazu, nicht nur die digitalen Inhalte gezielt auszuwählen, sondern auch die Nutzungsdauer zu reglementieren: „Grundsätzlich sollte Medienzeit nicht als Ablenkung für Emotionen und Konflikte eingesetzt werden. Auch zum ‚Ruhigstellen‘ ist es nicht geeignet. Langeweile kann die Kleinen auch in ihrem oft vollen Alltag entschleunigen. Sie ist außerdem ein guter Boden für die Kreativität“. Wichtig dabei: Erwachsene müssen laut des Experten immer wieder versuchen, die Kinder für eine Aktivität ohne Medien zu gewinnen. Dazu gehöre auch, darauf zu schauen, was dem Nachwuchs Spaß machen könnte. Der Tipp von Prof. Dr. Scheithauer: „Manchmal müssen die Eltern auch erst einmal zeigen, wie schön es ist, bei Musik zu basteln, sich zu verkleiden, eine Rockband zu imitieren, Fantasiewelten zu entwickeln – all das funktioniert ganz ohne digitale Technik. Gerade die einfachen Sachen können – wenn sich die Kinder erst einmal darauf einlassen – viel bewirken“.

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