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Bleibende Erinnerung – versöhnlicher Abschluss

Versöhnlicher Abschluss beim jährlichen Sternberger Heimattreffen des Heimatvereins Sternberg/Mähren Stadt und Land e.V.

Die Stadt Günzburg hatte im Jahr 1955 die Patenschaft für die aus Sternberg (heute Šternberk) stammende deutsche Bevölkerung übernommen. Die Heimatvertriebenen organisierten sich für die nächsten Jahrzehnte im „Heimatverein Sternberg/Mähren Stadt und Land e.V.“, trafen sich bei jährlichen „Sternberger Heimattreffen“ und richteten im Gebäude Rathausgasse 2 eine „Sternberger Heimatstube“ ein. Dort manifestierte sich die Erinnerung an den Herkunftsort in Gegenständen, die bei der Aussiedlung mitgebracht wurden, vor allem in umfangreichen Fotobeständen. Auf großen Texttafeln wurde die geschichtliche Entwicklung nach dem Zerfall des Habsburgerreiches und der Gründung der Tschechoslowakischen Republik (1918) in den überwiegend deutsch besiedelten Gebieten des neuen Staates dargestellt. Ein zweiter Teil war der Vertreibung nach 1945 und der Integration der „Flüchtlinge“ in Günzburg und dem Landkreis gewidmet.

Seit dem Fall des Eisernen Vorhangs kam es zu ersten, fast schüchtern zu nennenden Kontakten zwischen den beiden Kommunen bzw. zwischen Šternberk und dem Heimatverein. Wichtige Meilensteine waren dann die Teilnahme einer Günzburger Delegation an der 700-Jahr-Feier der Stadt Šternberk (1996) und ein offizieller Besuch aus Tschechien zum 50jährigen Bestehen des Patenschaftsverhältnisses (2005). Zwischen dem Günzburger Heimatverein Sternberg/Mähren und einer Bürgervereinigung zur Vertiefung der tschechisch-deutschen Beziehungen in Šternberk hatten sich danach freundschaftliche Kontakte entwickelt, und ab 2010 gewann die gegenseitige Annäherung plötzlich an Dynamik: Bereits in der zweiten Jahreshälfte 2011 wurden in Günzburg und Šternberk die „Verträge über Partnerschaft und Zusammenarbeit“ unterzeichnet.

In Analogie zur Städtepartnerschaft mit dem bretonischen Lannion bildete sich im Januar 2012 ein Partnerschaftskomitee zur Pflege der gegenseitigen Beziehungen zwischen den Einwohnerschaften beider Städte, dem auch Nachfahren aus Vertriebenenfamilien und Mitglieder des ehemaligen Heimatvereins angehören. Unter dem Vorsitz seines Sprechers Manfred Proksch fand seither eine Reihe von wechselseitigen Besuchen mit kulturellen und gesellschaftlichen Programmen statt.

Der Heimatverein Sternberg löste sich durch Beschluss einer Mitgliederversammlung (2015) auf, und es wurde bestimmt, dass die in der Heimatstube ausgestellten Objekte und das Aktenmaterial dem Sudetendeutschen Museum in München bzw. dem Bayerischen Hauptstaatsarchiv zur Übernahme anzubieten seien. Beide Institutionen waren sofort dazu bereit, und so bleibt die Erinnerung an das Schicksal der Heimatvertriebenen aus Sternberg dauerhaft bestehen. In Abstimmung mit der Planungsgruppe zur Neukonzeption eines Günzburger Stadtmuseums wurden verschiedene Exponate zurückbehalten. Sie werden innerhalb eines projektierten Themenschwerpunkts „20. Jahrhundert“ bei der Darstellung der Integration der Heimatvertriebenen in Günzburg wieder zu Ehren und zur Geltung kommen.

Übrig blieben hauptsächlich die großen Schautafeln mit Texten zur allgemeinen und zur speziellen Sternberger Sozial- und Wirtschaftsgeschichte bis 1945. Weiterhin Biographisches zu bedeutenden Töchtern und Söhnen der Stadt sowie Standgalerien mit reproduzierten Ansichten von Sternberg und den Gemeinden des dortigen Landkreises. Größtes Objekt in der Heimatstube war ein Modell der Innenstadt von Sternberg, wie sie vor dem Zweiten Weltkrieg aussah.

Das Material wurde nun der Stadt Šternberk zur dauerhaften Präsentation in zwei Räumen (ca. 90 qm) des ehemaligen Augustinerklosters überlassen. Vilem Zlamal, pensionierter Gymnasiallehrer für Deutsch und Geschichte und Motor der Bürgervereinigung zur Vertiefung der tschechisch-deutschen Beziehungen in Šternberk, kann so den Beitrag der deutschen Bevölkerung zur Stadtgeschichte umfassend darstellen. Dazu wird er die sehr objektiv verfassten Texte von Helmut Polaschek ins Tschechische übertragen und auch die reichhaltigen Bildergalerien zusätzlich mit einer tschechischen Beschriftung versehen.

Die beiden Stadtoberhäupter Stanislav Orság und Gerhard Jauernig zeigten sich über diesen weiteren Schritt einer von beiden Seiten aktiv gelebten Städtepartnerschaft sehr glücklich. Helmut Sabinsky, der langjährige 1. Vorsitzende des Heimatvereins Sternberg, hatte bereits gegen Ende des letzten Jahrhunderts innerhalb des Vereins für ein Aufeinander zugehen geworben und peu à peu unter seinen Mitgliedern Gehör gefunden. Wenn heute mit Manfred Proksch ein Nachkomme aus einer Vertriebenenfamilie an der Spitze des Partnerschaftskomitees Günzburg-Šternberk steht, ist das das beste Zeichen, dass eine jahrzehntelange Entfremdung zwischen Ost und West auch auf lokaler Ebene zu Ende ist.

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