Jettingen: Wohngebiet überschwemmt – rund 40 Haushalte betroffen
Um kurz nach 5 Uhr, am Tag der Deutschen Einheit, ein Feiertag, den einige Bewohner Jettingens nicht mehr so schnell vergessen werden, wurde die Feuerwehr Jettingen alarmiert.
Als die zunächst 6 Einsatzkräfte, so Einsatzleiter und Kommandant der örtlichen Wehr Markus Schmucker mitteilte, stand im „Korea“, wie das Wohngebiet am westlichen Ortsrand von Jettingen – zwischen Mindellauf und Mindelkanal von den ortsansässigen genannt wird – das Wasser auf den Straßen rund 20 cm tief, mit steigendem Wasserstand.
Am ehemaligen Stauffenberg-Areal befindet ein Wasserkraftwerk mit zwei großen Fallen. Bei geringer ankommender Wassermenge sind beide Fallen geschlossen, um das Wasser komplett durch die Turbine zur Stromerzeugung zu leiten. Kommt aber eine so große Wassermenge von flussaufwärts an, welche dann durch den alleinigen Durchfluss durch die Turbine nicht mehr abfließen kann, müssen die Fallen geöffnet werden, um ein Überlaufen der Mindel zu verhindern.
Wie der 2. Bürgermeister von Jettingen-Scheppach Hans Reichhardt (FUW) berichtet, funktioniert eine der beiden Fallen seit geraumer Zeit aber nicht, da dort das Gestänge ausgehängt ist. Die zweite Falle wird bei Notwendigkeit geöffnet. Die durch die gestrigen Regenmengen vom Oberlauf der Mindel ankommende Wassermenge konnte wegen der nicht funktionierenden Falle nicht mehr genügend abgeleitet werden, was zum Ansteigen und schließlich zum Überlaufen der Mindel führte. Das Wasser floss über mehrere Felder und überflutete schließlich das Wohngebiet bis zu einer Tiefe von 1,20 Metern an der tiefsten Stelle. Wie Reichhardt, welcher selbst ein Wasserkraftwerk betreibt weiter ausführt, wurde die Kraftwerksbetreiberin, die nicht im Landkreis wohnt, von Anwohnern und der Gemeinde bereits dazu aufgefordert worden, die defekte Falle instand zu setzen. Dies sei leider bisher nicht geschehen, mit den nun entsprechenden Konsequenzen.
Die Familie Wolfmiller wohnt im Hammerschmiedweg und wurde vom Nachbarn gegen 6 Uhr angerufen und auf das Wasser aufmerksam gemacht. Wie uns der Vater sichtlich mitgenommen erklärt, hatte er dann mit einem Wassersauger im Keller das bereits dort angesammelte Wasser abgesaugt, als er plötzlich in einem Nebenraum ein Rauschen wahrnahm. Beim Nachschauen konnte er feststellen, dass dort die Bodenplatte des betonierten Kellers aufriss und das Wasser den Keller flutete. Neben Waschmaschine, Trockner und zwei Gefriertruhen ist auch der Speicher der Solaranlage im Keller. Alle Gerätschaften werden wohl komplett beschädigt worden sein.
Frau Wolfmiller zeigt, wie hoch das Wasser stand.
Zwischenzeitlich hatte der Einsatzleiter Schmucker u.a. noch die Feuerwehren Scheppach und Burgau nachalarmieren lassen, so dann schließlich rund 80 Feuerwehrkräfte im Einsatz waren. Sie halfen mit rund 20 Tauch- und Tragkraftpumpen den Anwohnern beim vorsichtigen Auspumpen der Räumlichkeiten. Hier muss mit Bedacht vorgegangen werden. Wenn der Wasserspiegel außen noch zu hoch ist, der Keller aber komplett leer gepumpt wird, wirkt ein großer Druck auf die Außenwände und die Bodenplatte eines Gebäudes, was zu großen Schäden führen kann.
Neben den Feuerwehren war auch vom BRK Günzburg die Schnelleinsatzgruppe Betreuung und Verpflegung, sowie ein Rettungswagen mit zwölf Kräften vor Ort. Der Rettungswagen war zur Absicherung in Bereitstellung gekommen, da das Wasser und der Strom in den Häusern eine Gefahr darstellen. Ein Mitarbeiter der Lechwerke musste lediglich an einem Haus den Strom komplett abstellen, da dieses über eine Erdleitung an das Stromnetz angeschlossen ist. Alle anderen Haushalte werden noch über Dachständer versorgt.
Monika Wiesbauer, in deren Keller ebenfalls Wasser stand, zeigte uns ihren Garten. Dort hatte sie gestern noch Holz aufgestapelt und Blumen gerichtet. Nun steht dort das Wasser mehrere Zentimeter hoch. Die 68-Jährige wohnt dort seit 1958 und hat schon einige Male miterlebt, wie das Wasser aus dem Boden in den Keller gedrückt wurde, aber dass es von oben in den Keller läuft und noch in diesem Ausmaß, das gab es noch nie. Sie wurde gegen 6.30 Uhr von ihrem Nachbarn geweckt mit den Worten „Monika mach auf, da kommt s´Wasser.“ Doch viel dagegen tun konnte sie nicht. Zwei Feuerwehrleute stellten noch ihre Waschmaschine auf zwei Stühle, ob dies half und das Wasser nicht mehr weiter anstieg, muss sie später schauen.
Monika Wiesbauer steht im Garten und kann es nicht fassen, sowas hat sie noch nicht erlebt.
Auf die betroffenen Anwohner der rund 40 Gebäude kommt eine schwere Zeit zu. Da das Gebiet als Hochwassergebiet ausgewiesen ist, war es ihnen nicht möglich, ihre Häuser gegen einen solchen Schaden zu versichern. Zudem müssen sie nun versuchen, die wassergetränkten Wände wieder trocken zu bekommen, was bei den aktuellen und weiter steigenden Energiekosten nochmals eine große Herausforderung darstellt. Ganz abgesehen von den beschädigten Gerätschaften und Heizungsanlagen.