Industriepräsident Kempf: Exportüberschuss ist ein Problem
Industriepräsident Dieter Kempf hat eine Mitverantwortung der Bundesrepublik am Handelskonflikt mit den USA eingeräumt und dazu aufgerufen, die Kritiker der hohen deutschen Exportüberschüsse ernster zu nehmen.
„Wir Deutschen sollten uns hier ein bisschen ehrlich machen. Handelsbilanzen müssen nicht immer ausgeglichen sein. Aber wenn ein Land dauerhaft extrem hohe Überschüsse ausweist, dann muss es sich auch einmal fragen, was es selbst dazu beitragen kann, dass die Sache nicht aus dem Ruder läuft“, sagte Kempf am Rande eines zweitägigen Washington-Besuchs der „Süddeutschen Zeitung“ (Freitagausgabe). Konkret sprach er sich dafür aus, die US-Wirtschaft beim Wiederaufbau einer modernen, exportstarken Industrie zu unterstützen und zugleich die Binnenwirtschaft in Deutschland durch mehr Investitionen zu stärken. „Das käme nicht nur der Infrastruktur zugute, sondern würde auch unseren Handelsüberschuss verringern“, erklärte er.
Hier seien die Unternehmen gefordert, „aber auch der Staat muss endlich mehr Geld in die Hand nehmen.“ Zudem sollten die Deutschen generell „die Welt weniger belehren als vielmehr versuchen, Brücken auch zu Sichtweisen zu bauen, die uns zunächst einmal fremd sind“. Der Präsident des Bundesverbands der Deutschen Industrie (BDI) war in dieser Woche bereits zum zweiten Mal binnen fünf Monaten in Washington unterwegs gewesen, um mit Vertretern der Regierung, des Kongresses und der Bundesstaaten über gemeinsame Projekte, vor allem aber auch über Meinungsverschiedenheiten zu diskutieren.
Der Handelsstreit nahm dabei besonders breiten Raum ein. Kempf schloss auch eine Angleichung der Importzölle auf Autos in den USA und der EU nicht aus. Bisher verlangen die Europäer eine Einfuhrabgabe von zehn Prozent auf amerikanische Wagen, während die USA umgekehrt nur 2,5 Prozent fordern.
Positiv bewertete der BDI-Chef die Steuerreformpläne der US-Regierung, mit denen Trump die nominale Belastung der Firmen von 35 auf 15 Prozent senken will. Im Kongress ist eher von 25 Prozent die Rede – doch selbst eine solche Senkung hätte, so Kempf, auch Folgen für Deutschland: „Bereits heute liegt der durchschnittliche Steuersatz in der EU bei nur 21,5 Prozent“, sagte er. „Wenn die Iren weiterhin nur 12,5 Prozent erheben, die Briten eine Größenordnung von 17 Prozent und weniger anpeilen, und die Amerikaner eine Steuerbelastung von maximal 25 Prozent ins Auge fassen, dann wird der Abstand zu Deutschland mit 30 Prozent und mehr zu groß.“ Verständnis äußerte Kempf für den Vorstoß der Finanzminister Deutschlands, Italiens, Frankreichs und Spaniens, die Steuertricksereien großer Internetkonzerne nicht länger hinzunehmen. Zwar wirft die Idee einer Besteuerung nationaler Umsätze aus Sicht des BDI-Chefs viele rechtliche, politische und praktische Fragen auf. Die Kritik vieler Bürger am Verhalten der Firmen aber kann er nachvollziehen: „In der Tat ist es fraglich“, so Kempf, „ob es sein kann, dass ein Milliardenunternehmen am Ende nur drei oder fünf Prozent Steuern auf seine Gewinne zahlt.“ (dts Nachrichtenagentur)