Ex-BND-Präsident sieht Russland hinter dem Anschlag auf Pipelines
Foto: Bau von Nord Stream 2, über dts Nachrichtenagentur
Berlin (dts Nachrichtenagentur) – Der Anschlag auf die Ostseepipelines Nord Stream 1 und 2 ist nach Einschätzung deutscher Sicherheitsexperten im staatlichen Auftrag durchgeführt worden. Der ehemalige Präsident der Bundesnachrichtendienstes (BND), Gerhard Schindler, sagte der „Welt“: „Eine unbemerkte, konspirative Beschädigung von Pipelines in 80 Meter Tiefe in der Ostsee erfordert anspruchsvolle technische und organisatorische Fähigkeiten, die klar auf einen staatlichen Akteur hinweisen. Hierfür kommt eigentlich nur Russland in Betracht, zumal es von diesem Sabotageakt die meisten Vorteile hat. Der Stopp der Gaslieferungen kann jetzt einfach unter Hinweis auf die defekten Leitungen begründet werden, ohne dass man angebliche Turbinenprobleme oder andere wenig überzeugende Argumente für den Bruch der Lieferverträge vorschieben muss.“
Anschläge dieser Art würden zweifellos auch die westlichen Staaten und deren Bevölkerung verunsichern, was ins russische Kalkül passe. „Und nicht zuletzt steigt der Gaspreis, was natürlich in Russlands Interesse ist“, sagte Schindler.
Ob und wie konkret die CIA Deutschland vor einem solchen Anschlagsszenario gewarnt habe, könne er nicht sagen. August Hanning, der den BND von 1998 bis 2005 geleitet hatte, geht wie Schindler davon aus, dass der Anschlag im Auftrag eines Staates erfolgt sein müsse. Der „Welt“ sagte er: „Dieser Einsatz ist offenkundig so professionell und komplex durchgeführt worden, dass nur gut ausgebildete Spezialkräfte für die Durchführung infrage kommen.“ Dass U-Boote sich der Pipeline genähert haben könnten, halte er für unwahrscheinlich, weil dies aufgefallen wäre.
In Betracht käme eher ein Anschlag mittels Drohnen. Am plausibelsten sei es für ihn aber, dass Kampfschwimmer die Sprengsätze platziert hätten. „Welcher Staat hinter dem Anschlag steckt, muss jetzt sorgfältig aufgeklärt werden. Irgendwo hinterlässt so einen Anschlag seine Spuren“, erklärte Hanning.
Der ehemalige BND-Agent Gerhard Conrad will sich noch nicht auf einen Schuldigen festlegen. „Zunächst müssen sorgfältige forensische Untersuchungen durchgeführt werden. Das ist derzeit noch nicht möglich. Dann wissen wir schon mehr“, sagte er der „Welt“.
Vorstellbar sei auch, dass der Anschlag mittels Torpedos durchgeführt sein könnte. Zu der angeblichen CIA-Warnung sagt Conrad: „Warnungen gibt es immer wieder. Die Frage ist, wie konkret sie sind. Davor, dass beispielsweise Unterwasserkabel mutwillig beschädigt werden könnten, wurde auch immer wieder gewarnt“, sagte Conrad.